Sonntag, 11. Oktober 2015

~ Liebe, Freundschaft, Vertrauen & RILKE ~

Wieder einmal, wie so häufig im Herbst,
war mir nach Rilke. So begann ich den Briefwechsel
zwischen ihm und seiner Freundin, Paula Modersohn - Becker
zu lesen. Hier der Auszug eines Briefes,
in dem es um die Freundschaft Paulas
zu Rilkes Frau Clara Rilke - Westhoff geht.
Interessant auch hinsichtlich des Aspektes,
dass Rainer Maria Rilke sich offenbar auch
zu Paula Modersohn - Becker hingezogen fühlte,
bis diese Paul Modersohn heiratete.

Ist Ihre Liebe und Freundschaft so misstrauisch, 
dass sie immerfort sehen und greifen will, was sie besitzt? 
Sie müssen fortwährend Enttäuschungen erfahren, 
wenn Sie erwarten, das alte Verhältnis zu finden, 
aber warum freuen Sie sich nicht auf das Neue, 
das beginnen wird, wenn Clara Westhoffs neue Einsamkeit 
einmal die Tore auftut, um Sie zu empfangen? 
Auch ich stehe still und voll tiefen Vertrauens 
vor den Toren dieser Einsamkeit, weil ich für die höchste Aufgabe 
einer Verbindung zweier Menschen diese halte: 
dass einer dem andern seine Einsamkeit bewache. 
Denn wenn das Wesen der Gleichgültigkeit und 
der Menge darin besteht, keine Einsamkeit anzuerkennen, 
so ist Liebe und Freundschaft dazu da, fortwährend Gelegenheit zur Einsamkeit zu geben. 
Und nur das sind die wirklichen Gemeinsamkeiten, 
die rhythmisch tiefe Vereinsamungen unterbrechen … 
Denken Sie daran, als Sie Clara Westhoff kennen lernten: 
da wartete Ihre Liebe geduldig auf ein aufgehendes Tor, 
dieselbe Liebe, die jetzt ungeduldig an die Wände pocht, 
hinter denen die Dinge sich vollziehen, die wir nicht kennen, 
die ich ebenso wenig kenne wie Sie, 
– nur dass ich das Vertrauen habe, 
dass sie mich tief und verwandt berühren werden, 
wenn sie sich mir einmal offenbaren. 
Und kann Ihre Liebe kein ähnliches Vertrauen fassen? 
Aus diesem Vertrauen allein werden ihr Freuden kommen, 
von denen sie leben wird, ohne zu hungern.

Herzlich ~ Daniela














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