Donnerstag, 25. September 2014

~ WochenWELLE: V E R T R A U E N mit Joachim Pfitzner ~

Eine Premiere!!
Ich freue mich heute mit EUCH Joachims Gedanken
zum Thema: V E R T R A U E N teilen zu dürfen,
der UNS einen EINBLICK gewährt in institutionelles Ver -
oder MissTRAUEN:


Vertrauen..
kurze Vorgeschichte:
2004 war ich bei einem Unternehmen beschäftigt, das nach 9 Jahren Betriebszugehörigkeit in Insolvenz ging.
Ich habe noch einige Monate - man hat mir das nötige VERTRAUEN entgegengebracht - 
für den Insolvenzverwalter die Abrechnungen fertiggestellt, 
bis ich mich dann in einer Situation der Arbeitslosigkeit befand.
Das ging das eine übliche Jahr, um dann in die Abhängigkeit von Hartz 4 zu gelangen.
Mehrere versuche zeitnah wieder in das Berufsleben zurück zu gelangen sind fehlgeschlagen.
Bis auf den Tag X....
Wie möglicherweise dem einen oder anderen bekannt sein mag, 
ist das Sozialgesetzbuch 2 voller Tücken und Fehler, 
so dass immer wieder Missstände auftreten, 
die eine unterbrechungsfreie Leistungsgewährung gefährden.
So ist es mir als Familienvater auch ergangen und ich hab mich genötigt gesehen aktiv zu werden, 
um die Versorgung meiner Familie aufrecht erhalten zu können.
Nachdem sich in der Behörde niemand für meine Problematik zuständig gefühlt hat,
und die telefonische Erreichbarkeit gegen null ging,
habe ich willkürlich an die zentrale Rufnummer eine dreistellige Durchwahl angehängt.
Nun.. was soll ich sagen: Es meldete sich Herr W. mit Vor- und Zunamen.
Stimme und Name kamen mir sehr vertraut vor. 
Er hat mich kurz nach meinem Anliegen gefragt und ich habe ihm die Sachverhalte 
und meine „Notlage“ geschildert. 
Wir haben uns förmlich und höflich dahingehend verabschiedet, 
dass Herr W. sich unverzüglich in den nächsten Stunden bei mir melden wollte, 
nachdem er den Sachverhalt versuchen wollte zu klären.
Er hat sich als Leiter des Jobcenters verabschiedet.
Keine 30. min später klingelte mein Telefon und Herr W. meldete sich mit den Worten: 
"Es tut mir leid Joachim (????) dein Geld wird umgehend angewiesen." 
Er dürfe doch mich sicherlich duzen immerhin sind wir 4 Jahre lang 
zusammen zur Schule gegangen und mein Vater, seines Zeichens sein Tutor in der Oberstufe, 
hatte zu ihm ein besonderes und fast freundschaftliches Verhältnis.
Er habe sich mal meine Unterlagen angesehen und wollte mit mir ein Gespräch führen, 
das darauf abziehlt zu überprüfen ob ich nicht für einen Posten in der Verwaltung, 
in seinem Jobcenter in Frage käme.
(Kurze Info zur Zusammensetzung des Personals in einem Jobcenter: 
es besteht zu fast gleichen teilen, der Gesetzgeber wollte das so, 
aus Mitarbeitern der Bundesanstalt für Arbeit- und Personal aus der Kommunalverwaltung, 
die ihren Dienst im Sozialwesen versehen haben. 
Das durch normale Fluktuation und zunehmend stärkerer Personalbedarf es notwendig macht, 
die Belegschaft zu erhöhen, auch und vor allem durch „Externe“, liegt auf der Hand).
Gut.. im Dezember 2006 wurde ich dann dort vorstellig 
und wir haben für den Monat Januar ein 4-wöchiges Praktikum zur Eignungsprüfung vereinbart.
Durch einen „Vertrauensvorschuss“ seitens des Jobcenterleiters, 
hatte ich schon während der Praktikumsphase die Möglichkeit 
„hinter die Kulissen“ dieses Apparates Einsicht zu nehmen 
und im Januar wurde ich dann in ein auf 12 Monate befristetes Arbeitsverhältnis aufgenommen.
Begonnen habe ich in der „Leistungsabteilung", 
dort wo die Anträge berechnet werden und die fortlaufenden Zahlungen gewährt wurden.
Einzelne Einsätze in der Zentrale und dem Backoffice, 
haben mir letztendlich einen kompletten Eindruck 
über das gesamte Hatz4 Prozedere ermöglicht.
So..
nun zur Hauptangelegenheit: 
DAS Vertrauen bzw. wie es in der Behörde definiert wird 
und wie dort damit umgegangen wird!
Nach ca. 5 Monaten auf verschiedenen Positionen, 
habe ich ein eigenes Büro bekommen und war fortan, mit 4 anderen Kollegen und Kolleginnen, 
für die Antragsannahme zuständig.
Das bedeutet: ich war die 2. Anlaufstelle für alle Hilfesuchenden, 
die vorab sich lediglich an der Zentrale haben melden müssen um die Anträge ausgehändigt zu bekommen um dann einen Termin zur Antragsabgabe zu erhalten.
Ich habe bei einigen Kollegen die erste Woche mit am Tisch gesessen 
und wurde auf die Art quasi „eingelernt“.
Selbstredend war ich bei meinem ersten „Kunden“ 
(und hier möchte ich AUSDRÜCKLICH betonen.. das vorgegebene Wording „Kunde“ ist mir niemals schwergefallen..) 
sehr nervös und habe auch diverse Dinge vergessen zu erfragen, 
sei´s die Frage nach zusätzlichem Vermögen oder aber evtl. Beschäftigungen auf geringfügiger Basis.
In der Regel war es so gestaltet, dass zur vollen Stunde jeweils ein Termin zur Antragsabgabe vergeben wurde und dieser ca. 30 – 45 min dauerte. 
Ich bin mit dem Kunden die gesamten Vordrucke durchgegangen, 
habe Kopien seiner Unterlagen angefertigt und diese in einer Hängemappe abgelegt. 
Sollten bei der Abgabe jedwelche Unterlagen gefehlt haben,
oder selbige nicht vollständig gewesen sein, so habe ich einen 2. Termin vereinbart, 
weil erst dann konnte ich die Unterlagen zur Berechnung an die Leistungsabteilung weitergeben.
Und in genau diesem Moment wurde ich zum ersten Male richtig mit dem Gedanken 
Ver- oder eher Misstrauen in einer Art konfrontiert,
die mir relativ lange das Leben sehr schwer gemacht hat.
Nachdem die ersten Anträge dann komplett waren und ich sie an die Sachbearbeiter zur Leistungsberechnung weitergegeben hatte,
wurde ich verstärkt und von Woche zu Woche immer deutlicher 
darauf hingewiesen doch jede auch nur erdenkliche Lücke auszuloten,
die einen evtl. „Betrugsversuch“ der Kunden enttarnen könnte..
Natürlich habe ich daraufhin versucht nach bestem Wissen und VOR ALLEM GEWISSEN 
die Anträge mit der geforderten Sorgfalt entgegen zu nehmen,
was sich allerdings auch dahingehend ausgewirkt hat, 
dass ich den Kunden je nach Sach- und Familienlage auf Zusatzanträge und Leistungen 
hingewiesen habe, die vorher nicht kommuniziert wurden wie z.B. 
die Zulage in Höhe von 30% der Hilfe zum Lebensunterhalt für alleinerziehende Mütter, 
oder die Erstausstattung für junge Erwachsene unter 25, 
die aus dem Elterlichen Haushalt ausgezogen sind 
(das war zu der Zeit noch Möglich, bis die Gesetzgebung das massiv eingeschränkt hat).
Wichtig war mir vor allem dem Kunden bei der Antragsabgabe ein Gefühl von Vertrauen 
meinerseits zu schenken, ich muss nicht erwähnen, 
dass die meisten die zur Antragsabgabe erschienen sind relativ unlocker mir gegenüber saßen. 
Ich habe mit dem Versuch das Gespräch im Vorfeld zu entspannen, mit einem Funken Empathie oftmals das Gespräch/Die Antragsabgabe so lenken können das viele 
„meiner Kunden“ sich auch noch lange Zeit später an mich erinnern konnten 
und wenn sie mich in der Stadt trafen nicht sofort mit Missachtung bestrafen mussten.
JEDER der zu mir kam hat irgendwo sich in einer Notlage befunden, so dass ich IMMER davon ausgegangen bin, das was mir an Unterlagen vorgelegt wurde, 
an Sachverhalten geschildert wurde der Realität entsprach, 
ich will nicht unbedingt behaupten das ich zu jedem eine 100% Vertrauensbasis aufbauen konnte, manches mal hat sich der eine oder die andere schon im ersten Gespräch so in Widersprüche verwickelt, dass ich ihn/sie darauf hingewiesen habe, er solle noch mal den Wahrheitsgehalt seiner Unterlagen und/oder Aussagen überprüfen und belegen, 
aber ich hab sie niemals durch die bloße Weitergabe der Unterlagen an die Sachbearbeitung in das „offene Messer“ laufen lasen wollen.
Es gab sehr viele Gespräche die mir sehr nahe gingen, ich konnte die Schicksale nicht einfach abhaken und ablegen, so dass ich in einigen wenigen Fällen, 
mich für den Kunden auch sowohl bei der Leistungsabteilung 
für eine umgehende und wohlwollende Leistungsüberprüfung und -gewährung eingesetzt habe.
Ich erinnere mich sehr gut an einen Fall:
Ein eigentlich mitten im Leben stehender und erfolgreicher Architekt aus einem ehemaligen Angestelltenverhältnis kam zu mir hilfesuchend weil sein Arbeitslosengeld 1 fristgemäß ablief. 
Er war verheiratet, hatte 2 Kinder und ein Haus das noch in der Abzahlung war.
Die Aktenlage war sicher nicht einfach: verschiedene Sparverträge, Vermögen, 
2 Fahrzeuge, Zins- und Tilgungspläne etc. ergo ein „schwieriger Fall. 
Aber er war mir gegenüber sehr offen, hat alle Unterlagen detailliert mir eingereicht, 
so dass ich sie zur Bearbeitung weiterleiten konnte.
Wenige Tage später hat mich ein Sachbearbeiter, 
der sich selbige Akte zur Berechnung vorgenommen hatte, 
in sein Arbeitszimmer zitiert und hat den Antrag des Mannes regelrecht zerpflückt. 
Es tauchten Fragen auf, dass er sicherlich Gelder auf Konten der Kinder verschoben hätte, 
das Auto sei vom Zeitwert nicht angemessen bewertet und er werde einen sog. Sozialdedektiv 
(ja!!! das gibt es...) beauftragen alle seine Angaben zu überprüfen.
Ich habe Kontakt mit dem Mann aufgenommen um ihn diskret darauf vorzubereiten, 
soll heißen sich Bestätigungen zu holen, dass es eben KEINE Konten auf den Namen der Kinder gäbe etc.
Wenige Wochen später hat dieser Mann, obwohl er mit mir eigentlich vom verwaltungstechnischen Ablauf nichts mehr mit mir zu tun hatte, mich unangemeldet in meinem Büro aufgesucht, völlig verzweifelt, mit einigen Formblättern, die er ausgefüllt hatte, nachdem der Sachbearbeiter etliche Anforderungen zur Mitwirkungspflicht ihm zugeschickt hatte und er in mühevoller Kleinarbeit alles an Unterlagen die angefordert wurden bei mir einzureichen.
Seit über 7 Wochen ist er nun völlig ohne Hilfe gewesen, 
sowohl seine Raten ( lt. Sozialgesetzbuch 2 ist der Leistungsträger nicht verpflichtet zur Vermögensbildenden Tilgung eines Baudarlehens beizutragen sehr wohl aber an einer mietähnlichen Beteiligung der Tilgung der angefallenen Zinsen), als auch alles was zum Leben notwendig ist, 
wurde ihm bis dato verwehrt.
Sofort nachdem der Kunde mein Zimmer verlassen hatte, 
habe ich persönlich die Unterlagen dem Zuständigen auf den Tisch gelegt - zur sofortigen Bearbeitung - mit dem Hinweis, dass ich die Job-Center-Leitung 
(der mir ja freundlich gestimmt und gut bekannt ist) weiterzuleiten.
Wie sich kurze Zeit später herausstellte war das eine fatale Entscheidung, 
nicht im Sinne des Kunden oder vielleicht doch?
Wieder einige tage oder Wochen später habe ich gehört, wie eben dieser Mann sich am Empfang lautstark mit der Kollegin unterhalten hatte: Man hat ihn, aufgrund seiner Nachfrage, darüber informiert, dass sein Antrag noch in Bearbeitung sei, 
aber kulanter Weise würde man ihm einen Lebensmittelgutschein in Höhe von € 50,00 ausstellen.
Ich war sehr erbost und enttäuscht, dass dieser eigentlich schon längst hätte geklärte Fall 
nach fast drei Monaten immer noch nicht abgeschlossen war.
Wieder einige Tage später traf ich den Mann in der Innenstadt, verzweifelt und eigentlich schon am Boden zerstört hat er mir nochmals sein Leid geklagt, so dass ich ihm geraten habe mit seinem Anliegen an die örtliche Presse zu gehen und habe ihm einen Kontakt aus der Kreisverwaltung genannt, an den er sich wenden könnte.
Danach habe ich ihn nie wieder gesehen.
Aber gespürt.
Aufgrund meiner mir angedichteten Weichheit und eigenwilligen Auslegung der Hartz4 Gesetze 
hat man mir begonnen das Leben schwer zu machen.
Mal seien Unterlagen, die ich zur Bearbeitung nachweislich weitergeleitet habe niemals bei den Sachbearbeitern angekommen, 
mal habe ich tatsächlich kleine Nebensächlichkeiten auch übersehen (das passiert immer mal).
Auf jeden Fall sah ich mich eines Tages im Büro des Teamleiters, 
der mir ganz klar meine Grenzen gesetzt und ein Ultimatum gestellt hat.
Strikt nach Plan und ohne jedwelchen persönlichen Bezug, die einzelnen Antragsteller abzufertigen und zügig zu bearbeiten.
Ich war im absoluten Fokus und das wurde mir auch so kommuniziert.
Folgerichtig schlusszufolgern, dass ich in dieser Situation erst recht nervös und verunsichert war,
aber niemals ein Grundvertrauen zu jedem Einzelnen nicht bereit war abzulegen, 
schlichen sich mehr und mehr Fehler in meinen Anträge ein, 
die dann irgend wann dazu führten das selbst der Leiter der Behörde sich nicht mehr für mich einsetzen konnte und mein Vertrag nach einem Jahr nicht verlängert wurde. 
All dies und die Belastung durch einzelne tiefgehende Schicksale, 
die mir kommuniziert wurden, haben dazu geführt das ich innerhalb weniger Wochen erkrankt bin: Mein Blutzuckerspiegel ist so rapide angestiegen 
(über Wochen dachte ich ich sei nur überfordert und deswegen so müde und auch durstig), 
dass ich eines Tages mit einem Zucker von weit über 400 in die Diabetes Klinik 
in meinem Heimatort überwiesen wurde zur Behandlung.
Dort wurde mir mitgeteilt meine Bauchspeicheldrüse habe vollends ihre Arbeit eingestellt, 
so dass ich Insulin spritzen musste.
Was hat nun DIESE kleine Geschichte mit dem Wochenthema VERTRAUEN zu tun?

Nun ja:
  1. Wie gesagt habe ich grundsätzlich jedem meiner Kunden das nötige vertrauen entgegengebracht und das ihn auch spüren lassen.
  2. Von möglicherweise 100 einzelnen Fällen hat sich nur ein- oder zweimal der Verdacht (den der Leistungsbearbeiter grundsätzlich IMMER voraussetzt nämlich das JEDER Antragsteller potentiellen Leistungsbetrug beabsichtigt.... ) erhärtet und auch feststellen lassen das die mir genannten und beschriebenen Daten und Fakten nicht der Realität oder schlimmer noch dem Gesetz entsprachen.
Mir ist bewusst geworden dadurch, dass ich lieber einmal enttäuscht werden mag, 
als dass ich ständig misstrauisch jedem gegenübertrete, 
alles was man mir kommuniziert überkritisch in die Waagschale werfe, 
und mein Blick für immer getrübt ist, so dass ich nicht mehr in der Lage sein könnte 
die Wahrheit zu empfangen und empfinden!!
Das soll nicht heißen das ich blindvertauend durch mein leben gehe...

P.s.: Noch mal auf den Mann den ich beschrieben habe einzugehen:
Er hat tatsächlich meinen Rat angenommen und hat die Presse informiert, es gab diverse Nachforschungen, das Sozialgericht hat einstweilige Verfügungen gegen das Jobcenter erlassen, 
ihm wurden Gelder auf „Basis eines Leistungsvorschusses“ ausgezahlt, 
es hat sich nämlich herausgestellt, dass seine Akte im Haus umherirrte 
und auch schon als verloren gemeldet wurde.
Schlussendlich hat man ihm dann nach 11 !!!! Monaten einen Bewilligungsbescheid geschickt, nach Abzug des Vorschusses wurden ihm alle ihm Zustehenden Leistungen gewährt und überwiesen.
Der absolute Hammer kam dennoch zum Schluss:
Zur Fortzahlung seines Anspruches der ja damals alle 6 Monate formlos per einfachem Fortzahlungsantrag neu beantragt werden musste, 
hat man ihn dazu aufgefordert nachzuweisen wovon er in den letzten 12 Monaten 
seinen Lebensunterhalt bestritten habe also für den Zeitraum, 
für den er keine Leistungen erhalten hat.

Vertrauen?
In mein direktes Gegenüber, mit dem ich bereits kommunizieren konnte, ja!!
In Institutionen, Verwaltungen, Behörden, Medien, Ärzte, Personen der Öffentlichkeit, 
Politiker, und Geistliche: bedingt und nur unter größter Vorsicht und Vorbehalt!!!

~ Joachim Pfitzner ~ 



John Hiatt ~ Have a little Faith




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