Dienstag, 16. September 2014

~ WELLENflucht ~

Sie warf die Tür hinter sich zu.
Sie musste raus, einfach eine Weile durch die
Straßen laufen, den Kopf frei bekommen.
Es war Ende September, sie sog die kühle
Abendluft ein.
Atmen, tief durchatmen und dieser gedrückten Stimmung entfliehen,
die nun schon seit Wochen zwischen Kai und Ihr herrschte.
Franzi ertrug es nur schwer mit ihm im gemeinsamen Haus,
seit ihrer Rückkehr von der Insel und dem Gespräch,
das sie einige Tage später führten.
Sie konnte diese Ehe doch nicht einfach aufgeben.
Wie sehr hatte sie sich dieses Leben einmal gewünscht,
eine Familie, einen Mann der sie aufrichtig liebte,
zwei wunderbare Töchter.
Ein Generationenhaus, gemeinsam mit ihren Eltern.
Doch seit sie so lebten fühlte sie sich gefangen.
Eingesperrt in einen goldenen Käfig,
den sie sich selbst baute.
Genau so hatte sie es Kai erklärt,
ihm ihre Angstzustände beschrieben,
die sie an den Rande des Wahnsinns zu treiben drohten.

Sie hatte den Eindruck, er wollte sie wirklich verstehen,
doch gelang es ihm nicht.
"Franzi, ich würde alles dafür tun, dass es Dir gut geht."
Ja, verdammt, das wusste sie.
Alle in ihrem Umfeld taten immer das, wovon sie glaubten,
dass es alles sei für sie.
Franzi war sich sicher, dass Kai auch diesmal
alle Hebel in Bewegung setzen würde um die Situation
so gut es geht zu retten.
Sie wollte nicht gerettet werden,
wovor eigentlich?
Vor dieser Angst, die sie wie ein dunkles namenloses
Wesen immer wieder überkam?
Eine Angst, die sie wochenlang nicht schlafen liess,
die ihr all ihre Energie raubte,
die sie so nötig gebraucht hätte um einen klaren Gedanken
zu fassen.
Würde das jemals wieder aufhören?
Oder waren diese Ängste nur der Vorbote,
würde sie tatsächlich am Abend einschlafen und nicht mehr aufwachen?
"Nicht dran denken, Franzi" sagte sie sich selbst.
Atme.

Stundenlang lief sie durch die Nacht und dachte an
dieses Gespräch vor etwa drei Monaten.
Sie hatte Kai von ihrem Spaziergang am Strand erzählt,
von dem Augenblick in dem ihr bewusst wurde,
dass sie ihn nicht mehr fühlen konnte,
keine Liebe mehr für ihn fühlen konnte.
Unter Tränen erklärte sie ihm,
dass sie selbst so erschrocken gewesen war,
dass sie sich am nächsten Tag, trotz ihrer
wahnsinnigen Angst einen Wagen mietete
um nach Cofete zu fahren.
Wie der Anblick dieses Ortes ihr den Atem raubte,
wie sie inmitten der lebendigsten Wellen
im Meer stand und weinte.

Seine Mimik blieb ausdruckslos,
während des gesamten Gesprächs,
wie versteinert.
Kai schien gleichermaßen schockiert
und unberührt zu sein.
So als pralle jede Emotion an ihm ab.

Franzi wurde unsicher,
wie sie immer unsicher wurde,
wenn sie nicht einordnen konnte,
was gerade geschah.

Sie nahm seine Hand und sagte:
"Wir sind Freunde, sehr gute Freunde und darüber hinaus
sind wir Eltern und ein perfekt funktionierendes Team ..."

Bevor sie den Satz beenden konnte, riss er seine Hand weg
und begann zu brüllen.

"Was willst Du eigentlich noch?
Du hast doch alles. Du kannst Dir kaufen was
Du willst, Du kannst reisen so oft und wohin Du willst,
Du hast das Privileg ausschließlich für Deine Familie da zu sein,
und ich liebe Dich, ich habe immer zu Dir gestanden, welche
Entscheidung Du auch immer getroffen hast, ich habe sie
mitgetragen. Weisst Du eigentlich wie viele Menschen
Dich um Dein Leben beneiden? Du bist undankbar Franzi
und ich verstehe kein Wort von dem was Du da sagst.
Was ich verstehe ist, dass wir zwei Kinder haben und
dass wir uns versprochen haben, dass diese Kinder in
einer Familie aufwachsen mit Mutter und Vater,
damit sie nicht eines Tages mit all den Dämonen kämpfen
müssen, die Dich durch Dein Leben begleiten und sicher
auch nun wieder die Triebfeder sind."

Franzi wurde still.
Es fühlte sich an, als würden sich innerhalb weniger Sekunden
ganze Steinberge auf ihrer Brust niederlassen.
Sie rang nach Luft.
Kai hatte ihren wunden Punkt haargenau getroffen.
Ja, das hatten sie sich versprochen und beim Gedanken daran,
dass ihre Kinder, dieses Gefühl, den Verlust eines Elternteils
ebenso schmerzlich spüren mussten wie sie, wurde ihr schwindelig.

Sie spürte, dass sie kurz davor war einzuknicken,
ihm Recht zu geben und einfach so weiter zu machen.
Doch irgendwas in ihr ließ es nicht mehr zu.

Mit gemischten Gefühlen schlug Franzi vor,
eine Weile Ruhe einkehren zu lassen,
sich gegenseitig Raum zu geben
darüber nachzudenken, wie es von nun an weiter gehen
sollte.
Kai erklärte sich einverstanden.

So vergingen die letzten Monate seit des Gesprächs,
ohne den geringsten Versuch dieses Thema noch einmal
gemeinsam zu erörtern.

Kai machte so weiter wie zuvor, als hätte dieses Gespräch
nie stattgefunden und Franzi reagierte mit weiteren Angstzuständen.

An diesem Abend hielt sie es einfach nicht mehr aus.
Sie hatte das Gefühl sich selbst bei einer Inszenierung zuzusehen,
perfekt gespielt und unerträglich emotionslos.
 
...

Ich freue mich auf Eure Kommentare zu diesem Auszug
(m)einer Wellengeschichte!

Genießt Eure Zeit!

HERZlich ~  Daniela













2 Kommentare:

  1. Ich möchte weiterlesen. Warme, tiefe, aufwühlende,mitfühlende Zeilen.... Du schreibst so, dass man nie aufhören mag zu lesen.
    Liebe Grüße

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