Eine Woche voller Überraschungen neigt sich dem Ende.
Mir kommen
die Worte eines Freundes in den Sinn:
„Stop trying to control the
uncontrolable.
Let´s train the individual perception for the HIDDEN
tries.“
Über die versteckten Versuche könnte ich Dir eine Menge
erzählen, in dieser Woche,
sowohl über meine eigenen, als auch über
die
strategisch freundlich getarnten Versuche meiner Mitmenschen.
Viel lieber schreibe ich von meiner Begegnung mit mir selbst in
dieser Sturmflut,
die mich nicht einmal Worte finden ließ für mein
Gefühl.
Ich kann nicht genau erkennen, wie sie diesmal einsetzte,
ich
weiss nur, ich war mitten drin und hatte absolut keine Kontrolle über
das, was dort passierte.
Intensive Wellen des Gefühls allein und
verlassen zu sein, unverbunden irgendwie.
Dabei wurde ich so
liebevoll gehalten und begleitet von einer Freundin,
die parallel
ähnliche Wellen erlebte.
Ein ewiges Auf und Ab der Gefühle, neblige Bilder eines Films,
der sich vor meinem inneren Auge abspielte
und mich immer wieder mit
voller Kraft auf den Tiefengrund schleuderte.
Mein Leben explodiert, dachte ich.
Oder bin ich es?
Zwischen Alltag und äusseren
Umständen, die Kampfplätzen glichen,
welche natürlich in Wahrheit
in mir selbst existieren, war das nichts mit meiner friedvollen
Mitte.
Hin und Her gerissen zwischen Vertrauen und Kontrolle, ein
ewiger Kampf zwischen Licht und Schatten.
Die krassesten Begegnungen mit
Selbstverurteilungen und keinen blassen Schimmer,
aus welcher
Richtung der kalte Wind mir entgegen bläst.
Durchblick und klare
Gedanken sind in diesem Zustand nicht möglich.
Ruhe war mein Wunsch,
die ich nicht einmal in der Nacht finden konnte.
Schlaflos durch die
Woche mit Bildern vergangener Tage
den dazu passenden Gefühlen
des Verlustes, Versagens
und die Frage woher das nun wieder kommt.
Schuldgefühle, Ungeduld, tiefe Sehnsucht und die Erkenntnis,
dass
ich meine Liebe verraten habe.
Ich verriet meine Liebe an Rollen, die
ich spielte, die ich lernte zu spielen,
um etwas zu bekommen, was
niemand mir zu geben in der Lage war, weil ich es nicht fühlen
konnte.
Rollen, die sich ewig wiederholten.
Ich habe sie nicht mal
bewusst gewählt, dennoch habe ich sie gespielt, meistens wirkten sie
unschuldig.
Damit war Liebe nicht mehr rein, sondern ein
Tauschgeschäft.
Das wusste mein Unterbewusstsein und entschied
einfach mal nicht zu fühlen,
was da ankommt an Liebe, weil ich nicht
echt war.
Einer Freundin schrieb ich kürzlich, mein Drama beginnt immer da,
wo Märchen glücklich enden.
Mit dem schillernden Helden, der seine
Prinzessin zum Leben erweckt.
Damit geht es dann los, ich bin keine
Prinzessin.
Den Helden und seinen Auftrag erkenne ich auch erst in
der Reflexion.
Offensichtlich fühlen sich Helden berufen mich zu
retten,
so drängt sich mir die Frage auf wozu und was ist es,
das
ich aussende, das in Männern diesen Wunsch des Rettens auslöst?
Meine Sehnsucht?
Ich glaube, das Menschen, die dieses Gefühl kennen
ziemlich schnell andocken an meinen leicht melancholischen Ausdruck,
mystisch fällt mir ein, so drückte es der Vater meiner Kinder aus.
Dunkel empfand es der Mensch, der mir nach vielen Jahren,
in der
Trennungszeit meiner Ehe wieder begegnete.
Eine Zeit, in der ich
langsam begann mich wieder zu spüren
und die ich vernünftigerweise
lieber dazu genutzt hätte,
mich ausschliesslich mit mir und meinem
neuen Leben zu beschäftigen.
Es war so schön, so intensiv und zu
Beginn recht abenteuerlich.
Wir kannten einander, dachten wir,
zumindest hatten wir ein Bild aus vergangener Zeit,
das keiner von
uns so recht vergessen konnte.
Ein Augenblick in einem Sommer vor 12
Jahren.
Wir begegneten uns auf einem Seminar. Professionell verkleidet.
Etwas in den Augen des anderen, das sehr
schnell und heftig reagierte.
So sehe ich uns in einem kleinen
Dorfcafe, in der Nähe des Seminarhotels sitzen
und in der
Lebensgeschichte des anderen versinken.
Ich werde das Blitzen in
Deinen Augen nie vergessen,
als Du von Amsterdam und Deinem Plan
auszusteigen erzähltest.
Ich glaube, das war der Moment in dem wir
uns irgendwie verbunden haben,
wir begegneten uns damals sehr heftig
und so leidenschaftlich wie es begann,
so abrupt endete es auch in
der Tatsache, das wir uns zum „falschen“ Zeitpunkt trafen.
Jeder
von uns war irgendwie unglücklich und dennoch verwurzelt in seinem
Leben.
Als wir uns dann Jahre später erneut begegneten,
standen wir
beide vor den Trümmern eines geplatzten Familientraumes
und hofften im anderen die Erfüllung des eigenen Traumes zu finden.
Heute
muss ich darüber lachen, weil unsere Träume so unglaublich
verschieden sind,
sie klangen nur gleich. Sehnsucht hat uns verbunden
und Sehnsucht hat uns voneinander getrennt.
Meine Sehnsucht mich zu
finden, meinen Weg zu gehen,
den Rucksack der Vergangenheit zu
leeren,
um befreit von diesem Ballast ein Leben zu leben, das mich
erfüllt.
Deine Sehnsucht anzukommen.
Unsere gemeinsame Sehnsucht nach Freiheit,
dabei hat mein
Freiheitsverständnis nichts mit dem Deinen gemein.
Da wo meine
Freiheit begann, wurde sie für Dich zur Begrenzung.
Da wo Du Dir
Nähe wünschtest, war meine Distanz, eine Fernbeziehung,
die
ausserhalb des Alltags mit meinen Kindern stattfinden sollte.
Verständnisvoll warst Du, sensibel und unglücklich.
Du bautest
Mauern um Dich zu schützen, die ich mit aller Macht einreissen
wollte.
Dein Freiheitsbegriff, ließ mich allein fühlen und nicht
wertgeschätzt.
So begannen wir uns gegenseitig zu verletzen.
Wir
trennten uns, versuchten erneut uns zu begegnen,
wurden immer
gleichgültiger und spielten Schuldzuweisungs – Ping - Pong.
Bis ich
es nicht mehr aushalten konnte.
Ich gab auf und die einzige
Möglichkeit erschien mir in diesem Augenblick,
den Kontakt zu Dir
komplett einzustellen.
Jeden Kontaktversuch zu blockieren und nicht
zu reagieren war so schwierig für mich,
dennoch wusste ich - mein
Gefühl - und das,
was mich von diesem Zeitpunkt an immer mehr
leitete, dass es gut und richtig ist.
Nun haben wir es nach all den
gegenseitigen Verletzungen und mit der Zeit geschafft,
uns
freundschaftlich verbunden zu fühlen.
Das ist ein großes Geschenk
für mich.
Ich danke Dir, für Deine Begleitung durch eine sehr
turbulente Zeit
und für Deine Wertschätzung, die über Liebesdramen
und verschiedene Sichtweisen hinaus geht.
Wenn ich zurückblicke,
waren die Momente, in denen wir ausschließlich Freunde waren,
die
ehrlichsten in unserer gemeinsamen Zeit.
Vielleicht, weil Du kein Held sein musstest und ich keine
Prinzessin!?
… nach dem Happy End im Märchen gestaltet es sich nämlich so,
wenn die Rolle des Helden bemerkt, dass die Rolle der Prinzessin ein
Bild ist,
in das die Frau nicht wirklich passt,
weil sie schon vor
dem wach geküsst werden ganz gut leben konnte,
das auch weiterhin
tut ohne ständig gerettet werden zu müssen
und die Rolle des
Helden damit überflüssig wird, müssen neue Rollen her.
Ich werde
dann auch gleich aktiv und kümmere mich „mütterlich“,
so wie es
überbetonte Weiblichkeit verlangt und der Held, der hat gar keine
andere Wahl,
als seine Rolle als gefallener Held zu akzeptieren,
die Kümmererrolle wirkt so unfassbar unschuldig:
„Schatz, geht es Dir auch wirklich
gut?“
Die personifizierte Weiblichkeit tut ab jetzt alles,
um ihren
gefallenen Helden zu unterstützen, sich an ihrer Seite zu
entwickeln,
um ein neues Betätigungsfeld als Held zu finden, weil
sie glaubt,
er fühle sich wohl in der Heldenrolle und sie sich
schuldig fühlt,
weil sie in Wahrheit weder Prinzessn noch
personifizierte Weiblichkeit ist.
Diese Rollen kann sie auf Dauer
nicht spielen, weil sie daran zerbricht,
oder die Beziehung tut es
bereits vorher.
Ab hier wurde es richtig spannend in meiner Sturmflut.
Ich wurde
wütend auf mich selbst und auf diese verdammten Rollen,
die
vielleicht Anteile von mir enthalten, aber in dieser gespielten Form
nichts mit mir zu tun haben.
Mir wurde schlagartig bewusst, wie viel
Porzellan ich zerschlagen musste,
um das alles zu erkennen.
Diese
Rollen zeigen sich mir immer wieder in der Begegnung mit Menschen,
die eine Projektionsfläche dafür bieten.
Ich bin nicht unschuldig und ich will auch nicht so wirken.
Ich
bin ich, mit allen Anteilen, die ein Mensch so in sich haben kann,
dunklen und leuchtend hellen.
Ich bin wütend und traurig, manchmal
verschlossen, dann wieder offen,
ich bin freundlich, meistens
höflich, ich leide, ich lache, ich liebe,
ich singe laut, obwohl ich
es nicht kann, ich rauche zu viel und gern,
ich verkrieche mich leise
in mir und breche dann sehr laut und voller Freude durch meine
selbstgebaute Schutzmauer.
Ich habe alle Zeit der Welt und bin
dennoch in Eile,
ich hasse Smalltalk und liebe Menschen,
die mir
meine hundertachtundsiebzigste Frage nachsehen,
ich bin anstrengend
manchmal, auch mir selbst übrigens.
Dann wieder bin ich leicht
und fröhlich.
Ich kann Nähe in einer Distanz fühlen und umgekehrt.
Ich brauche Raum und Zwischenraum.
In meinem bunt gibt es viel
schwarz und weiss.
Meistens kann ich nicht über Witze lachen,
dafür lache
ich als einzige im Kino, wenn kein Mensch die Szene im Film lustig
findet.
Es gelingt mir selten zu verbergen, wenn mich etwas
langweilt.
Ich liebe Details und kann mich darin verlieren für
einen Moment,
um all diese Fragmente zu einem Gesamtbild zu
verbinden.
Ich liebe Harmonien, zu viele davon machen mich
wahnsinnig.
Ich bin vorsichtig und ich bin mutig.
Ich bin wahrhaftig,
wenn ich mich spüren kann.
Ich liebe meine Freiheit und lerne mir
Sicherheit zu geben.
Lernen hört nie auf und am allerliebsten lerne
ich mit Menschen.
Ich bin dankbar und ich lerne Demut.
Ich friere
auch im Sommer und hasse Freibäder.
Ich kann Oberflächlichkeit
nicht ertragen, nutze sie aber als Fluchtpunkt,
wenn sich mir jemand
sehr schnell und intensiv nähert.
Ich mag Offenheit und stolpere
über radikale Direktheit.
Ich mag Stille und muss Musik laut hören.
Mich berühren Menschen tief, die wahrhaftig sind und gegen alle
Widerstände für sich selbst einstehen.
Mich bewegen Menschen,
die sich aus eigenem Antrieb befreien.
Mich begeistern Projekte, die Menschen verbinden.
… und das alles wirbelt so durch mich hindurch, während meiner
Sturmflut, die mich für einen kurzen Augenblick noch einmal zu einem
kleinen, traurigen Mädchen gemacht hat, das nachdem es nun wieder
HIER und JETZT gelandet ist beruhigt in mir leben darf. Es hat ein
Bild losgelassen,
das Bild von einem Menschen, das sie selbst gemalt
hat - malen musste - um als Kind diesen Verlust zu ertragen. Heute
brauche ich dieses Bild nicht mehr.
Ich kann Dich sehen, fühlen und
erkennen.
Ich kann mich fühlen und ich muss nicht mehr projizieren
und suchen,
was ich nur in mir selbst finde.